Zwischen Gut und Böse
Die Gegenspieler
„Leben Sie wohl, Mr. Bond!“1 hat 007 mit Sicherheit nicht nur einmal gehört in seiner fünfzigjährigen Karriere als berühmtester Agent der Filmgeschichte. Seine Gegenspieler lassen es sich nicht nehmen, ihren Widersacher zwar auf heimtückische Art, mit stets neuen Foltermethoden und Waffen, aber vor allem mit Stil loszuwerden. Doch Bond wäre nicht Bond, wenn er sie nicht alle austricksen, überleben und besiegen würde.
Ob Goldfinger, Dr. No, Blofeld, Scaramanga, Sanchez, Zao oder Le Chiffre – sie alle haben ein unverkennbares Gesicht, auch wenn sie sich hinter unscheinbaren Mauern, rätselhaften Namen oder großen Stuhllehnen verstecken. Ihr wahres Ich zeigen sie meist erst, wenn man ihnen auf die Schliche kommt. Ihre Identität ist ihr bestgehütetes Geheimnis, und die Offenbarung ihrer Person wird zum Höhepunkt und Handlungsmotor zugleich. Die Schurken sind das wichtigste Pedant zum Helden, der ohne sie kein Held wäre. Es ist aber nicht nur das Spiel zwischen Gut und Böse, das polarisiert, sondern auch der Kampf zwischen Tradition und Moderne, zwischen zwei Lebenswelten, die konträrer nicht sein könnten und sich doch in so vielen Dingen sehr ähneln.
Es gibt die Weltbeherrscher, die Wirtschaftsmagnaten, die Monopolisten und die Individualisten2, aber auch die Terroristen, die nicht von global übergeordneten Beweggründen, sondern vor allem von zerstörerischer Agitation getrieben sind. Was sie alle vereint, ist die Gier nach „Profit, Rache und Macht“3. Sind es zu Beginn der Serie noch die Bedrohungsszenarien des Kalten Krieges, die sich den gegnerischen Welten als idealer Kampfschauplatz anbieten, so verlagern sich die heutigen Schlachtfelder der Bösewichte, jeweils angepasst an aktuelle Feindbilder oder getarnt als wohltätige Organisationen, auf das Parkett der Wirtschaftskriminalität oder in die Gebiete weltweit vernetzter Terrorzellen.
Bond verbindet mit seinen Gegnern nicht selten eine persönliche Rivalität4, die seinem Auftrag eine besondere Brisanz verleiht. Dabei unterscheiden sich die Kontrahenten nur darin, dass der Bösewicht aus Überzeugung und mit Lust am Morden agiert, Bond hingegen tötet mit Lizenz, wenn es der Auftrag erfordert und ihm keine andere Wahl lässt – wobei sich mit Daniel Craig das Bild des legalen, aus der Not heraus tötenden Agenten plötzlich zu verändern scheint. Im Charakterwandel des Helden liegt auch nach so vielen Jahrzehnten noch eine gewisse Spannung, die wiederum die Nähe zwischen Gut und Böse so klar und unmissverständlich aufzeigt. Auch ein Agent, der sich für die Weltordnung einsetzt, kann scheinbar ohne besondere Gefühlsregung die Killermentalität seines Gegenübers adaptieren.
Nicht selten bedient sich der Böse lebendiger Waffen, die in der Rolle des Handlangers den Job erledigen. Haie, Piranhas und Spinnen, aber auch menschliche Beißer und Kampfmaschinen, die – ob Mann oder Frau – dem Agenten auflauern (man denke besonders an Jaws, gespielt von Richard Kiel in Moonraker, oder Grace Jones alias May Day in A View To A Kill). Abgesehen von der Zuhilfenahme neuester zeittypischer Technologien – Laser, Radioaktivität, Computer, Multimedia – und diverser anderer Gadgets, die den Feind eliminieren, aber auch die Welt beeindrucken sollen, tüftelt der Schurke an einer besonders perfiden Idee, die ihn zum Mächtigsten aller Machtbesessenen machen soll.
Mit Dr. No von 1962 wird das „Ur-Bild aller Bond-Gegenspieler“5 geschaffen, an dem sich alle folgenden orientieren. Blofeld ist Bond gleich mehrmals auf den Fersen. Lebt der Gangster in den frühen Filmen noch abseits der Zivilisation, fern der Alltagswelt in architektonischen Wunderwerken, so scheinen die Schurken der Neuzeit, wie Greene in Quantum of Solace, scheinbar unbehelligt und gesellschaftlich angesehen unter uns zu weilen, ohne wirklich aufzufallen, bis zu dem Tag, an dem sie versuchen, ihren zerstörerischen Plan in die Tat umzusetzen. Sie sind über fünf Jahrzehnte hinweg zur Personifikation aller nur erdenklichen Gegensätze geworden: Macho – Möchtegernfrauenheld, brutaler Sadist – Gentleman, Weltzerstörer – Kunstliebhaber, Mörder – höflicher Gastgeber und Lebemann, Größenwahnsinniger – Verlierer, aber auch Technikfreak, Fortschrittsgläubiger und Antiquitätensammler in einem. Doch vor allem sind sie das „negative Gegenbild“6 zu Bond oder zumindest das, was Bond nie sein will – aber doch ist? Seine Gegner sind keine „Durchschnitts-Verbrecher“7, so wie Bond kein gewöhnlicher Agent ist. Die Bösewichte sind andersartig, abartig, oft Außenseiter, aber auch mitten unter uns, außerhalb jeder Norm und doch ein Teil der Gesellschaft. Zu ihren extremen Persönlichkeitsmerkmalen bekennt sich schon Ian Fleming in seinen Romanen. Die Antagonisten Bonds sind die reichsten, einflussreichsten, ungewöhnlichsten Kriminellen der Welt, vergleichbar mit den größten Verbrechern der Weltgeschichte.8 Sie bilden schon rein äußerlich den größten Kontrast zum Helden, obwohl sich das groteske Erscheinungsbild im Laufe der Bond-Ära vom auffälligen Sonderling zum gewöhnlichen Jedermann wandelt. Sind es nicht ihre physischen Abnormitäten, so beeindrucken sie mit ihren außergewöhnlichen Lebensräumen, ihren besonders abstrusen Machtideen oder ihren ausgefallenen Folter- und Tötungsmethoden, um den Agenten in jedem Fall zu übertrumpfen.
Was nach fünfzig Jahren James Bond geblieben ist, trotz Wandel und Anpassung der Filme an Zeitgeist und gesellschaftlichen Diskurs, ist die Grundidee des heimlich agierenden Bösewichtes, der 007 und den Rest der Welt mit seinem Coup herausfordern will. Der Schuft und seine üblen Taten sind besonders abscheulich geblieben, obwohl die Trennung von Positiv und Negativ in den frühen Filmen bildlich klarer zum Vorschein kam und nicht nur in den Figuren ihre Visualisierung fand. Heute kennzeichnet die Protagonisten ihre ausgeprägte Handgreiflichkeit. Handelt ein Dr. No oder Blofeld noch mit lang vorbereiteter List und Tücke, so fackelt ein heutiger Gangster wie Le Chiffre nicht lange. Früher stach der Böse durch optische Opulenz hervor, ihn umgab eine ganze Welt voller Extravaganz. Heute liegt der Fokus der Filme nicht auf der Visualisierung ihrer Macht, sondern auf der Verteidigung dieser, wenn im Kampf der Kontrahenten alles auf dem Spiel steht.
1 Schon bei Ian Fleming zu finden in Liebesgrüße aus Moskau, München 1966, S. 182 (im Original: From Russia, with Love, [London 1957 Erscheinungsort und -jahr der Erstausgabe?], und in viele Filme übernommen.
2 Georg Mannsperger, „James Bond Will Return“: Der serielle Charakter der James-Bond-Filme. Wiederkehrende Elemente in 40 Jahren Action-Kino, Mainz 2003, S. 84.
3 Näheres hierzu: Torsten Reitz, James Bond. Genese einer Kultfigur, Marburg 2009, S. 70.
4 Mannsperger, „James Bond Will Return“… (wie Anm. 2), S. 83.
5 Siehe auch Ebd., S. 85.
6 Ebd., S. 115.
7 Soja Zimmer, Gefährliche Gegner, in: James Bond. Spieler und Spion, Hrsg. Hans-Otto Hügel und Johannes v. Moltke, Hildesheim 1998, S. 35.
8 Vgl. auch Henry Chancellor, James Bond. The Man and his world. The official Companion to Ian Fleming’s Creation, London 2005, S. 114.
Auszug aus Kissling-Koch, Petra: Zwischen Gut und Böse. Die Gegenspieler, in: Bond, … James Bond. Filmplakate und Fotografien aus fünfzig Jahren. Deutsches Plakat Museum im Museum Folkwang, 2012, S. 64-65.