KEINE ZEIT ZU STERBEN

KEINE ZEIT ZU STERBEN

Die dystopischen Welten eines James Bond

– Mit zwei Jahren Verspätung – endlich ist der neue James Bond KEINE ZEIT ZU STERBEN (Regie: Cary Joji Fukunaga) im Kino. Wie zu erwarten durchlebt 007 ein Abenteuer in Überlänge mit atemberaubenden Stunts an exotischen Orten auf der ganzen Welt. Die Charaktere sind weitestgehend klar: Moneypenny, „M“, Blofeld, aber auch eher ungewöhnliche Auftritte wie eine weibliche 007 oder Felix Leitner sogar – sie alle gehören mehr oder weniger zum festen 007-Kanon. Was bleibt sind andere Überraschungen: die Orte der Guten, die Orte des Bösen. Sie sind einer der wichtigsten Höhepunkte in den James-Bond-Filmen und das seit 1962 mit DR. NO. Ich musste unweigerlich an Ken Adam denken, denn KEINE ZEIT ZU STERBEN greift vieles von früher auf, nicht nur den Aston Martin. Das Büro von „M“ ist wie es immer war, holzgetäfelt, viktorianisch, der Tradition verpflichtet, im Hintergrund ein berühmtes Kunstwerk, das an William Turner erinnern könnte, den mit Abstand bekanntesten Maler Englands. Für besondere Spannung sorgt aber vor allem die Machtzentrale des Bösen. Sie steht im unmissverständlichen Kontrast zur Tradition des Empire. Gerade hier sind die Bezüge zu Ken Adam auffallend deutlich. Seine unterirdischen Bunker und versteckten Geheimlabore, seine Welten außerhalb der Zivilisation, sie tauchen wieder auf. In KEINE ZEIT ZU STERBEN sind es die Giftlabore des Gegenspielers Lyutsifer Safin – ein geheimer Ort, abgelegen auf einer einsamen Insel. Sofort kommen die Erinnerungen an Dr. No, der auf der Insel Crab Key seine Pläne zur Weltherrschaft schmiedete. Seine Kommandozentrale machte nicht nur die Abenteuer des Helden James Bond berühmt, sondern auch den Erfinder der opulenten Welt, den Production Designer Ken Adam. In KEINE ZEIT ZU STERBEN bleibt die Architektur nüchtern kühl, eine asketische Architektur, eine dystopische Welt des Bösen. Es sind nicht die farbenfrohen Apparaturen und Maschinen, es sind keine Kulisse der 1960er Jahre wie in DR. NO. Es sind die Gärten Safins, japanische Gärten, umgeben von Beton und Wasser. Selbst der Gegenspieler Safin zeigt rein äußerlich Ähnlichkeiten mit Dr. NO, der asiatische Einschlag ist unverkennbar. Es ist eine düstere Welt, durch die sich James Bond kämpfen muss. Es sind gefährliche Laboratorien, die er zerstören soll. Wie zu erwarten steht die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel. Geheimlabore gab es tatsächlich schon von Beginn an in den Filmen mit James Bond. Die Labore eines Blofeld in DIAMONDS ARE FOREVER etwa oder eines Hugo Drax in MOONRAKER, der mit einem Orchideengift die Menschheit ausrotten wollte. Doch die schrägen Betonwände, das Wasser und die Architektur sind unverkennbare Anklänge an die Entwürfe des großen Ken Adam. Eine Hommage an seine Machtzentralen, an die Anfänge der James-Bond-Reihe. Dennoch unterscheiden sich die Welten eines Hugo Drax oder eines Dr. No von den dystopischen Welten eines Safin. Während Dr. No und Drax im farbenfrohen Stil der Sixties und Seventies ihr Unwesen treiben, bleibt Safins Welt dunkel, düster und grau. Die schrägen Betonwände erinnern am ehesten an den Regierungsbunker in Dr. STRANGELOVE, jenem War Room von Ken Adam für Stanley Kubricks filmisches Meisterwerk. Waren die Machträume bei Ken Adam ein Aha-Effekt, eine Überraschungswelt der Optik mit vielen hintergründigen Details, so ist sie in KEINE ZEIT ZU STERBEN eine karge Bunkeranlage, aufgepeppt mit Leuchtstoffröhren, die an eine Kunstinstallation denken lassen. Selbst die Falltür ist eine Reminiszenz an frühere Machträume Ken Adams. Die Bauten Safins erinnern formal an die Architektur eines Tadao Ando, doch ohne den stillen, harmonischen Charakter der puristischen Räume und Bauten des japanischen Architekten. Die Machtarchitektur hat etwas düsteres in KEINE ZEIT ZU STERBEN, sie wird zur Prophezeiung der Zukunft von James Bond, mit einem Ende, das man eher nicht erwarten würde. War bis dato die Zerstörung der Architektur das Ende, so wird dieses Ende nun mit dem Schicksal von James Bond verknüpft. Seine Aufgaben, das Böse zu besiegen, die Architektur zu beseitigen und die Welt zu retten, bleiben. Dies gelingt ihm wie zu erwarten, doch es besiegelt zugleich sein eigenes Schicksal.

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