Architekturschau der Mächte
Die James-Bond-Serie hat den Mythos vom Superhelden in extravaganter Architektur geprägt. Was allerdings für die Filme der 1960er und 1970er Jahre gilt, scheint den Neuzeit-Bond wenig zu beeindrucken; haben sich seine Einsatzgebiete in fünfzig Jahren Agentendasein doch grundlegend verändert. Waren es früher die geheimen Machtzentralen des Bösen, so gehören heute vergleichsweise gewöhnliche, wenig Aufsehen erregende Hintergrundarchitekturen zu den Hauptschauplätzen – Räume, die jeder zu kennen scheint, auch wenn sie sich vor exotischer und internationaler Kulisse behaupten müssen. Die räumliche Zurückhaltung gehört zum Konzept wie einstmals die optisch hervorgehobenen und handlungsimmanenten Kommandostationen. Dabei sind gerade diese Machträume, die in den frühen Filmen zum Zielort und eigentlichen Hindernis für den Agenten werden, gar nicht ihre Erbauer selbst. Nicht Dr. No, Blofeld, Drax oder Stromberg sind die wahren Gegner, die besiegt werden müssen – es sind ihre architektonischen Wunderwelten mit ihren technisch perfekten Systemen. Von ihnen geht zugleich eine besondere Faszination aus.
Die Bauten für Dr. No bildeten für viele Jahre das Fundament eines visuellen Erscheinungsbildes, das den nachfolgenden Filmen einen hohen Wiedererkennunsgwert verlieh. Dazu gehören nicht nur die Kommandoräume des Welteroberers, sondern auch die des britischen Geheimdienstes – obwohl der Einfallsreichtum des Bösen alles zu überbieten scheint. Jene künstlich geschaffenen Unterwasserwelten, unterirdischen Bunker, geheimen Labore auf einsamen Inseln, tiefen Vulkankrater und fernen Weltraumstationen – Architekturen, die wenig gemeinsam haben mit der übrigen Welt – symbolisieren die extravagante Lebenseinstellung ihrer Bewohner. Die Räume sind Ausdruck einer verrückten Seele, die in ihrem Willen zur Weltherrschaft vor nichts zurückschreckt. Auf den ersten Blick zeigt sich, wo und wie das Gute oder Böse regiert; räumliche Gestaltung wird zum Kommunikationsmittel. Die Architektur erklärt da, wo Worte fehlen und scheint manches Mal direkt in die Handlung einzugreifen. Die Bauten entwickeln sich in den ersten zwei Jahrzehnten der Serie vom Hintergrundbild zum ebenbürtigen Mitspieler und Protagonisten. Sie nehmen aktiv teil. Wie sonst ließe sich Macht eindrucksvoller demonstrieren als durch die unsanfte Beförderung des Gegners per Rutsche oder mobiler Bodenkonstruktion in todbringende Gewässer mit gefährlichen Zeitgenossen? Selbst zur Vermittlung ironischer Momente ist die Filmausstattung bestens geeignet, wenn sich Tiffany und James Bond in Diomonds are forever auf einem Aquariumbett räkeln – zumal dieses außergewöhnliche Einrichtungsobjekt keinen besonders bequemen Eindruck macht, doch zum Amüsement der Zuschauer dient es allemal. Wegelabyrinthe, überdimensionierte Raummaße, antike wie moderne Möbel und Innendekorationen, berühmte Kunstwerke, versteckte technische Apparaturen, bühnenartige Lichtinszenierungen, territoriale Aus- und Überblicke sowie zahlreiche bildplastische Machtattribute mit Landkarten und Globen vervollständigen das Ausstattungsvokabular der Kommandozentralen. Sie bringen die Weltherrschaftsabsichten eines Bösewichts klar zum Ausdruck. Optischer Höhepunkt der Machtschau ist der Sitz des Schurken, der alles überragend und gut sichtbar im Raum positioniert die hierarchische Abgrenzung markiert. Ein Blofeld distanziert sich eben auch räumlich von seinem Widersacher Bond und der restlichen Welt. Die im viktorianischen Ambiente holzgetäfelten Büros von M und die eleganten Hotelzimmer des Agenten stehen den hochmodernen Räumen des verbrecherischen Despoten kontrastreich gegenüber. Es ist demnach nicht nur der Kampf von Gut gegen Böse, sondern auch der Gestaltungskonflikt zwischen Tradition und Moderne, womit wir es hier zu tun haben. Doch am Ende wird das Böse besiegt, die Welt vor der Vernichtung gerettet und die bedrohliche Architektur zerstört. Das Ziel, die Weltherrschaft zu erlangen, bleibt reine Fiktion – ebenso wie der visionäre Traum von einer perfekten Architektur.
Zu Beginn der Agentenlaufbahn von 007 ist noch nicht absehbar, dass auch das ästhetische Konzept zur positiven Resonanz beitragen wird. Während die Kulissen die Aufmerksamkeit der Zuschauer wecken, verändern die Filmemacher das Gesamtkonzept zugunsten einer Überbetonung des Visuellen, bei der die Handlung zweitrangig erscheint. Die Filme werden zu architektonisch gewagten Experimenten – besondere Schauspielkunst tritt eher in den Hintergrund. Doch die räumliche Machtdemonstration scheint Ende der 1970er Jahre mit Moonraker ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Ein isländischer Eispalast von Gustav Grave in Die Another Day (2002) enthält zwar Reminiszenzen an alte Zeiten, doch wirklich überzeugend sind die Orte des Bösen nicht mehr. Auch wenn die Verbindung von Architektur und Natur mit der Dschungellandschaft im Inneren der ephemer-gefrorenen Welt eine Hommage an Ken Adams Pionierleistung darstellt, so fehlt doch der klare Machtraum des Bösen. Lieber konzentriert man sich auf die außerordentlich ambitionierten Kampfszenen und die technischen Höchstleistungen der Pyrotechniker. Die architektonische Ästhetik konkurriert nicht mehr mit der schauspielerischen Leistung – ein Umstand, der in den frühen Filmen stets kritisiert wurde, den Filmen jedoch nie geschadet hat, im Gegenteil. Der Erfolg überzeugt, wie gut ein gestaltungsorientiertes Konzept funktionieren kann. Von den architektonischen Machtraumhighlights ist nach fast 60 Jahren Bondomanie nicht viel übrig geblieben. Ken Adam hat in der Bond-Film-Ästhetik einen Standard gesetzt, der nach dem Weggang des Designers 1979 durch seinen Nachfolger Peter Lamont schwer fortzusetzen war. Das zeitgemäße Bedürfnis nach ästhetischen Innovationen ändert sich. Die strikte Trennung der konträren Lebenswelten durch verschiedene Architektursprachen wird für den heutigen Bond-Fan nicht mehr benötigt. Zu gut kennt er die Figurenkonstellation und Handlungsschemata. Die Vermischung und Angleichung der Gegensatzpaare trägt sicherlich auch zur Spannung bei, doch der architektonische Augenschmaus scheint verloren, wobei das vor allem dem Kenner der frühen Filme auffallen wird.
Auszug aus dem Ausstellungskatalog:
Petra Kissling-Koch: Architekturschau der Mächte, in: Bond, … James Bond – Filmplakate und Fotografien aus fünfzig Jahren Deutsches Plakat Museum im Museum Folkwang, hrsg. v. Museum Folkwang, 2012