Die Komik der Dinge
Jacques Tatis Mon Oncle und die Architektur als Wohnmaschine
Komik verbirgt sich für Jacques Tati in den banalsten Dingen. Der berühmte französische Filmemacher parodiert in seinen Werken den Alltag der Nachkriegsjahrzehnte und übt gleichzeitig Kritik an der neuen, modernen Welt. Tatis Filme wie Mon Oncle (1958) sind bekannt für ihren subtilen Humor und dennoch zeigen sie die bitterböse Abrechnung mit der automatisierten Gesellschaft und ihrer Technikliebe. Seine Filme werden zur Inspiration für zahlreiche Komödien über die dekadente Zivilisation der aufkommenden Industriegesellschaft. Der Protagonist Hulot bewegt sich zwischen zwei gegensätzlichen Welten, seinem altmodisch-romantischen Paris und dem reichen Villenvorort seiner Verwandten. Tradition und Moderne treffen hier nicht nur direkt aufeinander, sie konkurrieren miteinander. Die Arpels der Trabantenstadt leben in einer Villa à la Corbusier, einem kubischen Bau, der mit seinem strengen Formalismus die menschlichen Bewegungen vorgibt. Den Begriff der Wohnmaschine, den Le Corbusier einst prägte, übersetzt Tati filmisch in wortwörtlichem Sinne. Mit der Erkenntnis „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen“ löste der Stararchitekt 1921 heftige Kontroversen aus. Denn die Diskrepanz eines Hauses, das eigentlich Arbeit abnehmen und nicht schaffen soll, führt Tati in Mon Oncle schließlich ad absurdum. Was den Alltag erleichtert erschwert zugleich die Behaglichkeit. Die Architektur scheint steril und unbequem. Die neue Welt ist voller Tücken, so dass der Alltag schnell außer Kontrolle gerät. Alles ist automatisiert, Küchentüren schnappen, Brunnenfontänen springen völlig planlos auf Knopfdruck, Dackel lösen Garagentore aus und sperren die Besitzer ein, die Mechanik macht sich einfach selbständig. Das Design führt ein Eigenleben und möchte dennoch schön und zweckmäßig sein. Was funktional ist wird unberechenbar, was schön ist wird schwierig. Währenddessen die Menschen nicht wirklich miteinander kommunizieren, gibt die Architektur den Ton an. Tatis größter filmischer Erfolg wird zur Satire auf den Fortschritt der Wohnkultur, die den Sinn der Funktionalität hinterfragt und in Filmen wie The Party (1968) von Blake Edwards seine Fortsetzung findet. Die Sicht auf die Welt der Dinge geht weit über die Kritik an ihr hinaus. Es ist die Komik der Dinge, die in den scheinbar banalsten Objekten steckt und keiner so deutlich macht wie Tati.
Klare Empfehlung für einen Filmabend mit Mon Oncle, wenn die Welt aus den Fugen ist…